Abkürzung auf der Lernkurve: was man von Top-Entscheidern lernen kann

Im August 2015 ist ein Artikel von mir im Fachmagazin „Praxis Kommunikation“ (Verlagsgruppe Junfermann) zum Thema „Die Macht der Entscheidung“ erschienen. Den Artikel findest du hier in Originalform zum Download als PDF: www.BenediktAhlfeld.com/download/Praxis-Kommunikation-August-2015.pdf

Es gibt Menschen, die Entscheidungen sehr schnell treffen und dabei fast immer richtig liegen. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! Zumindest für all jene, denen das Entscheiden deutlich schwerer fällt. Seien es die großen oder kleinen Themen – wir alle kennen es: das unangenehme Gefühl im Magen, die schwitzigen Hände und die hartnäckige Stimme im Kopf, die zu uns flüstert: „Tu es nicht!“ und damit im Grunde meint: „Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll.“

Wieso Top-Entscheider meist richtig liegen

Seit gut zehn Jahren habe ich das Vergnügen und die Ehre, Menschen trainieren und coachen zu dürfen, die zu den Top-Entscheidern in unterschiedlichsten Bereichen zählen. CEOs, Hirnchirurgen und Olympia-Sportler eint eine großartige Stärke: die Fähigkeit, Entscheidungen schnell und sicher zu treffen. Und dabei auch noch richtig zu liegen! Die Strategien, die mir bei all diesen Top-Entscheidern auffielen, lassen sich auf wesentliche Prinzipien herunterbrechen, die allen gemein sind. So kommen Top-Entscheider zu einem Ergebnis:

  1. Sie sammeln Informationen von Experten.
  2. Sie hinterfragen kontinuierlich:
    1. die Informationen, auf deren Basis sie entscheiden, und
    2. ihre eigenen Entscheidungsstrategien.
  3. Sie treffen Entscheidungen auf Basis ihrer Intuition.
  4. Sie kontrollieren, ob die Entscheidung richtig war.
    1. Wenn ja, gewinnen sie dadurch an Sicherheit und entscheiden künftig mit noch mehr Vertrauen auf Ihre Intuition.
    2. Wenn nicht, beginnen sie wieder bei 1., bis sie ein zufriedenstellendes Ergebnis erreichen.

Das ist das große Geheimnis: Durch das Aneignen von Expertenwissen nehmen Top-Entscheider eine Abkürzung auf der Lernkurve. Das nimmt ihnen jedoch nur den rationalen Teil der Entscheidung ab. Die emotionale Sicherheit, die wir als „Bauchgefühl“ bezeichnen, entsteht erst über die Zeit. Durch wiederholt richtige Entscheidungen im gleichen Kontext entsteht eine Heuristik, also die Fähigkeit, mit begrenztem Wissen und wenig Zeit zu guten Lösungen zu kommen.

Was uns vom Entscheiden abhält

Als Kinder fürchteten wir uns vor der Dunkelheit oder vor einem Monster unter dem Bett. Als Erwachsene haben wir Angst vor anderen Dingen: vor tiefem Wasser, großen Höhen, schnellen Autos. Bis zu einem gewissen Grad sind diese Hemmschwellen normal und gesund. Unser Instinkt schützt uns vor einer Dummheit oder vor Gefahr. Bei manchen Menschen bleiben nicht nur die rationalen Ängste erhalten, sondern auch die irrationalen. Die fürchten sich zwar nicht mehr vor dem Monster unter dem Bett, dafür vor Ablehnung, vor einer falschen Entscheidung oder ganz banal: davor, einen Fehler zu begehen. Wir müssen erkennen, dass diese Befürchtungen unsere Handlungsalternativen einschränken und uns am Erfolg hindern.

Die meisten Fehlentscheidungen lassen sich auf fehlende Informationen zurückführen. All die falschen Entscheidungen werden Teil unserer Heuristik. Und damit stehen die Chancen nicht schlecht, dass künftig in einer ähnlichen Situation die Entscheidung erneut schwer fällt. Wir können diesen Teufelskreis durchbrechen, indem wir in Momenten der Entscheidungsunfreudigkeit weniger kognitiv als sonst vorgehen. Es braucht einen möglichst intuitiven Beschluss, wodurch die Entscheidungsfindung beschleunigt wird. Denn es gibt nur einen einzigen Fehler, wenn es ums Entscheiden geht: sich gar nicht zu entscheiden! Um Entscheidungsmuffel zu schulen nutze ich die folgenden drei Techniken.

Drei Blitz-Techniken für schnelles Entscheiden

  • Lass uns eine Münze werfen.

Wenn es um eindeutige Entscheidungen mit Antworten wie „ja oder nein“ geht, dann bitte ich mein Gegenüber sich klar vorzustellen, welche Seite der Münze für welche Option steht. Dann werfe ich die Münze, lasse meinen Klienten aber nicht auf das Ergebnis sehen! In dem Moment, wo die Münze geworfen wird, spüren sie bereits welche Seite sie lieber oben sehen würden. Indem ich frage, welche Seite dem Klienten jetzt lieber wäre, mache ich die Entscheidungstendenz bewusst und damit auch, welche Wahl zu treffen ist.

  • Alles ist eine Entscheidung. Auch die Entscheidung, sich nicht entscheiden zu wollen.

Besser als sich gar nicht zu entscheiden ist es, möglichst rasch eine Wahl zu treffen. Wenn meine Klienten vor komplexeren Entscheidungen stehen, schon ausreichend über Wissen verfügen und nur noch die emotionale Überwindung fehlt, gebe ich ihnen drei Minuten Zeit. Sie dürfen dann maximal sechs Möglichkeiten notieren: in beliebiger Reihenfolge, was ihnen spontan einfällt. Sind die drei Minuten um, müssen sie sich entscheiden – Punkt.

  • Vertrau auf deine Intuition.

Wenn die Zeit keine Recherche mehr vor einer Entscheidung zulässt wenn es zu diesem Thema einfach noch keine Erfahrungen gibt – dann gehe ich wie folgt vor: Ich bitte den Klienten Papier und Stift zur Hand zu nehmen und sich die Entscheidungsmöglichkeiten in Stichpunkten zu vergegenwärtigen. Dabei lege ich besonderen Wert auf den Öko-Check, d.h. der Klient muss die Frage beantworteen, welche (positiven oder negativen) Konsequenzen sich durch diese Entscheidung ergeben würden.

Nun arbeitet der Klient die Liste durch und bewertet die Optionen nach den Gefühlen, die sie in ihm auslösen. Was fühlt sich lebendig, richtig, falsch, aufregend an? Und oftmals ist es der letzte Punkt auf dieser Liste, der den Klienten am meisten überzeugt. Denn die Vernunft lässt am Anfang alle vernünftigen, gut überlegten Punkte aufführen. Und die Option, von der man aus dem tiefsten Inneren heraus überzeugt ist, das, was man wirklich will, kommt meist zum Schluss und hilft dabei, die richtige Entscheidung zu treffen.

Strategie für schwierige Entscheidungen

Wenn es einmal wirklich knifflig wird, bediene ich mich ganz bewusst und Schritt für Schritt der Strategien der Top-Entscheider. Diesen Prozess können Sie ganz leicht modellieren. Machen wir das anhand eines Beispiels aus dem Alltag:

Sandra möchte endlich einen neues TV-Gerät kaufen. Viele ihrer Bekannten haben einen Flatscreen, manche sogar eines dieser teuren Ultra-HD Geräte, die so schön gebogen sind. Ihre Freunde sind sehr zufrieden damit und sagen, die doch sehr teure Investition habe sich gelohnt. UAuch Sandra würde so einer gefallen, allerdings liest sie in einem aktuellen Fachmagazin, dass die Technologie noch nicht ausgereift ist. Nun ist sie hin- und hergerissen und kann sich nicht entscheiden. Was kann uns unterstützen eine Entscheidung zu treffen?

  1. Machen Sie das Problem greifbar.

Geben Sie dem Problem eine Persönlichkeit und nennen es beim Namen. Machen Sie es greifbar und bringen Sie es zu Papier. Schreiben Sie einfach darauf los und alles auf, was Ihnen dazu einfällt. Im Falle von Sandra lautet der Name „Mein Traum-TV“ und sie schreibt nicht nur Daten und Fakten, sondern auch emotionale Werte auf: elegant, modern, technologisch ausgereift.

  1. Sammeln Sie neue Informationen – aber nicht zu viele.

Begeben Sie sich auf die Suche nach Experten zu dem Bereich, in dem Sie gerade das Entscheidungsproblem haben. Als Coach und Trainer leben Sie von genau diesem Punkt: Sie bieten Wissen und Know-How für ein Thema an, das anderen fehlt. Davon profitieren Ihre KlientInnen und TeilnehmerInnen und kommen schneller zu Erfolgen. Seien Sie nicht betriebsblind und tun Sie es Ihren Teilnehmern gleich! Oder glauben Sie wirklich, Sie wüssten schon alles? Sandra vertraut nicht allein dem Fachmagazin, sie fragt in einem Online-Forum nach und holt sich die neue Ausgabe von Stiftung Warentest, zufällig mit einem Schwerpunkt zu diesem Thema.

  1. Erstellen Sie eine Entscheidungsmatrix.

Gewichten Sie Ihre Lösungsvorschläge nach Ihren Neigungen. Wollen Sie es lieber sachlich und nüchtern auf Fakten basierend, oder doch emotional und intuitiv mit Bauchgefühl? Machen Sie sich auch die Konsequenzen Ihrer Entscheidung bewusst. Es sollten maximal sechs Alternativen auf der Liste stehen. Fallen Ihnen mehr als sechs ein, dann setzen Sie Prioritäten und streichen alle überflüssigen Optionen. Sandra kennt sich nun auch schon besser aus: es wird ein Flatscreen werden, aber kein gebogener Ultra-HD. Ihr reicht ein Full-HD-TV. Hier gibt es Plasma und LED Technolgie. Beide kommen in Frage und im Rahmen ihrer Matrix entscheidet sie sich auf Basis der technischen Daten für einen LED-Fernseher.

  1. Treffen Sie eine Entscheidung und besiegeln Sie diese.

Jetzt haben Sie genügend Zeit mit der Analyse verbracht und es wird Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen. Treffen Sie eine Entscheidung und setzen Sie sofort den ersten Schritt. Dieser ergibt sich immer direkt aus den Konsequenzen, die Sie vorher bedacht haben. Es muss nichts Großes sein, nur eine Handlung, die Ihrem Unterbewusstsein zeigt: „Ja, ich habe mich entschieden!“ Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Setzen Sie danach weitere Schritte, die Sie immer näher an die Lösung bringen. Diese sollten Ihnen greifbar und nicht etwa unrealistisch erscheinen. Sandra ist klar: der Fernseher wird nun – in Abstimmung mit einem ansprechenden Design – in einem großen Elektronikfachmarkt ausgesucht und gekauft.

  1. Kontrollieren Sie Ihren Fortschritt.

Entscheidungen zu protokollieren und auf Erfolg zu prüfen ist sinnvoll. Noch besser ist jedoch eine Verpflichtung nach außen! Erzeugen Sie sozialen Druck und lassen Sie jemand Außenstehenden Ihren Fortschritt kontrollieren. Idealerweise betrifft dies eine Person, vor der es Ihnen äußerst unangenehm wäre, zu scheitern. So könnten Sie etwa Ihre Kinder bitten, Ihren Fortschritt beim Abnehmen einmal wöchentlich zu kontrollieren. Denn wer möchte schon als Vorbild vor dem eigenen Nachwuchs als Versager dastehen? Genau dieser soziale Druck erhöht dramatisch ihre Umsetzungskompetenz. Das milde Belächeln ihrer Freunde mit den tollen Ultra-HD Fernsehern stört Sandra nicht, denn sie weiß, dass sie die für sich beste Entscheidung getroffen hat.

  1. Es gibt keine Fehler, nur Lektionen.

Sollte am Weg zum Ziel eine Konsequenz auftreten, mit der Sie nicht gerechnet haben, oder ein triftiger Grund, der die Entscheidung als falsch entlarvt, dann gehen Sie nicht zu hart mit sich ins Gericht. Immerhin haben Sie eine Entscheidung getroffen! Irren ist menschlich. Diese Grundhaltung mag bei dem Kauf eines neuen TV nicht so ins Gewicht fallen, jedoch sehr wohl bei Entscheidungen im Berufsleben. Exzellenz beweist sich erst darin, wie wir mit unseren Fehlern umgehen. Nutzen Sie diese Gelegenheit, um wie ein echter Top-Entscheider Ihre Heuristik zu verbessern, und hinterfragen Sie ganz konkret, was Sie beim nächsten Mal besser machen können. Denken Sie daran, auch Experten zu befragen oder Fachwissen zu recherchieren, das Ihnen noch unbekannt ist. Damit haben Sie die beste Grundlage für eine gute Entscheidung.

Fazit

Unser Leben ist geprägt von Entscheidungen. 20.000 davon treffen wir jeden Tag. Abhängig von der Art der Entscheidung ist es hilfreich Blitzentscheidungen zu treffen oder eine schriftliche Matrix zu erstellen.

Die eine Fähigkeit, die Top-Entscheider gemeinsam haben lautet: Entscheidungen bewusst zu treffen. Und zwar bei Themen, mit denen sie noch nicht vertraut sind. Bei allem Bekannten verlassen sie sich hingegen blind auf ihre Intuition.

Wenn es Ihnen bisher schwer gefallen ist, sich zu entscheiden, sei so viel gesagt: die Entscheidung für eine Entscheidung ist die einzig richtige Entscheidung.

Alles Liebe,

Benedikt

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12 Kommentare, sei der nächste!

  1. Was Entscheidungen antrifft hat Tony Robbins ein tolles Zitat beigesteuert: „Wir treffen Entscheidungen immer emotional und rechtfertigen sie dann mit unserem Verstand rational.“ :-)

    Danke für den Super-Artikel, Ben!

  2. Gute Entscheidungsstrategien sind nur durch eine Sache zu ersätzen, noch bessere Entscheidungsstrategien.

    Aljoscha, ich kann dir da nur zustimmen.

  3. Lieber Ben,

    Sehr cooler Artikel zum Thema Entscheidungsfreudigkeit. Im Sport habe ich gelernt, dass es meistens sinnvoller ist auf die unbewusste Ebene zu schalten weil ich damit einfach schneller bin.

    Trotzdem gibt es genügend Situationen in denen sich es sich lohnt die Thematik wie du es aufgeschlüsselt hast zu bearbeiten.

    Ich wollte noch sagen, dass ich es ganz wichtig finde, dass man bei Entscheidungen, die einen selbst betreffen Gedanken die andere betreffen eher ausschalten sollte, sonst kann es sein dass man insgeheim gegen seinen eigenen Willen handelt ohne das wirklich zu wollen,

    Lg

  4. Die Biltz-Strategien waren mir schon bekannt, aber den Prozess der Entscheidung in kleine Schritte runter zu brechen gefällt mir. Das zeigt mal wieder, dass es enorm helfen kann Vorgänge in einzelne kleine Schritte aufzuteilen. Das macht nicht nur im Sport Sinn, sondern auch im Alltag.

    Grüße
    Dario

  5. Hay Benedikt,

    sehr ausgereifter Artikel. Was mir besonders aufgefallen ist sind deine Vorrangehensweisen. Normalerweise würden die meisten jetzt bei einem bestimmten Punkt abblocken, wenn Sie sich nicht auf dieses kleine Experiment in deinem Text einlassen würden. Aber ich habe es sehr gerne gelesen und es hilft einem enorm sich mal selbst zu einem wie du es nennst *Top-Entscheider* zu machen.

    Ich denke das viele Menschen sich einfach bewusst werden müssen das wir menschlich sind, aber auch, dass wir uns nicht dem Drang hingeben uns schlecht zu fühlen nur weil wir eine Fehlentscheidung getroffen haben.

    Das Leben besteht sowiso nun mal aus Risiken. Ob in der Beziehung, im Job oder in der Familie. Man wird nie immer alles richtig machen, aber mit der gewissheit kommt auch die Erkenntnis, oder? ;)

    Beste Grüße

    Ruben Pasternak

  6. Hallo Benedikt,

    toller Artikel und jede Menge glasklarer Entscheidungsstrategien. Beim Münzwurf habe ich kurz gestutzt. Aber klar doch, du hast recht, die erhoffte Seite ist sofort in unseren Gedanken. Cleverer Weg.
    Viele Grüße
    Ulrike

  7. Hey Benedikt!

    Ich halte es da ganz wie Aljoscha. Die menschliche Psyche ist einfach ein herrliches Konstrukt. Manchmal arbeiten unsere vermeintlichen Fehler einfach nur für uns. So kann man fast mit allen Entscheidungen leben, da man sie später sowieso rationalisiert. Ich weiß beispielsweise, dass ich mit mindestens zwei anderen Studiengängen damals genauso zufrieden gewesen wäre wie ich heute bin. Natürlich gilt das nicht für alle Entscheidungen, aber doch für die große Mehrheit.

    Gruß,
    Ben

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