Dr. Bernd Slaghuis: Selbstbestimmt arbeiten – es muss nicht immer die Selbständigkeit sein

Selbstbestimmt arbeiten

Ein Gastartikel von Dr. Bernd Slaghuis.

Welcher Angestellte träumt nicht manchmal davon, sein eigener Chef zu sein? Kein Druck mehr von oben, kein Gefühl mehr, unter ständiger Beobachtung zu stehen und alles richtig machen zu müssen. Keine als sinnlos empfundenen Tätigkeiten mehr ausführen müssen, die nicht den eigenen Werten oder Vorstellungen entsprechen. Keine Ungerechtigkeiten mehr. Eine Traumwelt? Für viele meiner Klienten, die heute angestellt arbeiten und sich nach einer neuen Orientierung im Beruf sehnen kommt der Schritt in die Selbständigkeit trotz aller vermeintlichen Vorzüge nicht in Frage. „Zu großes finanzielles Risiko und mir fehlt auch die Geschäftsidee“, höre ich oft. Das Haus, das noch viele Jahre abbezahlt werden muss, die Kinder, die gerade in die Schule gekommen sind und sicherlich an erster Stelle die Aufgabe des sicheren Gehalts sind Gründe, die für viele Menschen gegen diesen Schritt sprechen. Doch auch als Angestellter besitzt du Möglichkeiten, selbstbestimmter zu arbeiten, als du es vielleicht heute tust.

Richten Dir Deinen Job ein

Wer neu in ein Unternehmen kommt, muss sich erstmal in die Strukturen einfinden, die Kulturen und Menschen im Unternehmen kennenlernen und natürlich die mit der Stelle verbundenen Aufgaben übernehmen. Irgendwann kehrt dann die Routine ein und die Arbeit wird zur Gewohnheit. Die meisten Angestellten tun, was ihnen vorgegeben wird. Sie möchten ja schließlich ihrem Chef gefallen. Sehr oft höre ich meine Klienten über ihren Chef schimpfen, denn Chefs sind ja immer weit weg vom Tagesgeschehen und haben davon ja eh keine Ahnung: „Wenn die da oben wüssten …“ Und an dieser Stelle beginnt die Frust-Spirale. Du fühlst dich nicht ausreichend wertgeschätzt für deine Leistungen und würdest – wenn du selbst entscheiden könntest – vieles anders machen.

Mach’ das! Richte dir deinen Job ein. Du hast mehr Gestaltungsspielräume, als du vielleicht heute denkst. Was bedeuten die Werte „Freiheit“ oder „Unabhängigkeit“ für dich in deinem Berufsleben? Woran würdest du erkennen, dass der Wert Freiheit erfüllt ist? Was kannst du selbst dazu beitragen? Freiheit kann Freiheit der Gedanken, Entscheidungen und im Handeln bedeuten – vielleicht in gewissen Grenzen, denn es ist natürlich klar, dass du als Angestellter nie so unabhängig entscheiden kannst wie ein Selbständiger (Anmerkung: aber auch ich als Selbständiger habe Auftraggeber, denen ich gefallen muss!). Hier sind 5 Tipps, wie du dir deinen Job einrichten kannst:

  • Stelle dir vor, du bist für einen Tag Chef des Unternehmens. Welche Dinge würdest du als erstes verändern? Was davon ist realistisch? Überlege, ob es eine Chance gibt, dass du etwas zu dieser Veränderung beitragen kannst. Wer kann dich dabei unterstützen?
  • Hinterfrage alle Automatismen bei deiner Arbeit. Ist das alles sinnvoll, was du tust oder möchtest du etwas daran verändern? Besprich die Veränderung mit Kollegen und deinem Chef, mehr als ein „NEIN“ kann nicht passieren. Viele Unternehmen freuen sich über Verbesserungsvorschläge von Mitarbeitern.
  • Schau dich an deinen Arbeitsplatz um. Fühlst du dich dort wohl? Was kannst du selbst daran verändern oder im Unternehmen vorschlagen, damit er deinen Wünschen und Vorstellungen stärker entspricht?
  • Was stört dich an deinen Kollegen? Frau Müller, die am Schreibtisch stundenlang gegenüber laut privat telefoniert oder Herr Meier, der ab mittwochs immer nach Schweiß stinkt? Du hast es in der Hand, ob du das ansprichst und damit vielleicht etwas an deiner Situation änderst.
  • Mache eine Liste mit Dingen, die dir im Job Freude bereiten. Denke auch an frühere Jobs, was dir damals besonders Freude gemacht hat. Was kannst Du tun, um diese Dinge in deinem jetzigen Job wiederzubeleben?

Vielleicht erscheinen dir diese Punkte als unrealistisch, denn was kannst du als kleiner Angestellter schon verändern? Und außerdem willst du ja auch nicht als Egoist bei den Kollegen dastehen, wenn du dir deinen Job so einrichtest, wie es für dich passt. Und überhaupt – darf Arbeit denn auch Freude machen? Dafür wird man ja schließlich auch bezahlt.

Übernimm Selbstverantwortung und verlasse deine Komfortzone.

Ja, Arbeit darf Freude machen! Und das Schöne ist, dass du es selbst in der Hand hast. Selbstbestimmt arbeiten hat sehr viel mit Selbstverantwortung für das eigene Leben zu tun. Wie du an den 5 Tipps sehen kannst, erfolgt jede Veränderung durch dich selbst. Höre auf damit, dich zurückzulehnen und über die Kollegen und Chefs zu jammern, die dir das Leben so schwer machen. Wenn du mit etwas unzufrieden bist, dann ändere etwas.

Jedes Wachstum in der Natur erfolgt von innen heraus.
Nur wir selbst begrenzen uns in unserem Denken und Handeln.

Bernd Slaghuis

Jede Veränderung ist für uns mit Unsicherheit und Ungewissheit verbunden. Jeder noch so kleine Schritt aus der gewohnten und lieb gewonnenen Komfortzone heraus erzeugt ein komisches Gefühl. Wir haben Angst, damit zu scheitern, nicht wieder in die sichere Umgebung zurück zu können und bei den Kollegen als Verlierer dazustehen. Wann hast du zuletzt eine Entscheidung getroffen, die du heute noch bereust? Die meisten meiner Klienten können mir auf diese Frage keine Antwort geben. Und wenn, dann haben sie mit etwas Abstand erkannt, dass es gerade diese Entscheidungen waren, die sie im Leben weitergebracht haben. Ist es wirklich attraktiver, einen gewohnten, aber unliebsamen Zustand auszuhalten als etwas Neues auszuprobieren und damit den eigenen Horizont zu erweitern?

Selbstbestimmt arbeiten kann auch Kürzertreten bedeuten

Du bist Führungskraft geworden, hast aber keine Freude daran, ein Team zu führen und möchtest viel lieber alleine an Sachthemen arbeiten? Du arbeitest 10 Stunden am Tag, verdienst viel Geld, möchtest aber lieber mehr Zeit mit deiner Familie verbringen und wärst sogar bereit, auf einen Teil deines Gehalts dafür zu verzichten? Auch wenn hierzulande das bewusste Kürzertreten im Beruf – auch als Downshifting bezeichnet – sowohl von Unternehmen als auch von Angestellten noch als gesellschaftlich problematisch gesehen wird, zeigt sich in den letzten Jahren hier ein zunehmender Trend. In den USA und einigen skandinavischen Ländern ist das ganz normal. Es geht beim Downshifting nicht immer darum, weniger zu arbeiten. Vielmehr kann Downshifting als freiwillige Entscheidung definiert werden, um eine bessere Balance zwischen Privat- und Berufsleben zu erreichen, mehr Erfüllung im Beruf und im Leben zu erfahren oder Erkrankungen durch zu hohe berufliche Belastungen vorzubeugen. Die Möglichkeiten sind vielfältig und reichen von einer bewusst veränderten eigenen Einstellung zur Arbeit über Teilzeitarbeit, die Ablehnung einer Beförderung bis hin zur Kündigung, dem Wechsel des Unternehmens und Aufnahme eines anderen, den eigenen Wertevorstellungen und Zielen stärker entsprechenden Berufs.
Was kannst du tun?

Wenn du Lust bekommen hast, etwas in deinem Beruf oder deinem Leben zu verändern, dann lade ich dich zu folgendem Experiment ein:

  1. Überlege dir morgens auf dem Weg zur Arbeit, welchen Schritt zur Veränderung du heute gehen möchtest und stelle dir in deinen Gedanken vor, dass du ihn zum Feierabend gegangen bist. Wie geht es dir damit? Was ist dann anders? Gibt es Menschen in deinem Umfeld, die diesen Schritt bemerken? Woran bemerken sie ihn und wie ist das für sie?
  2. Wenn das Ergebnis aus Schritt 1 für dich attraktiv ist, dann probiere es aus. Vielleicht kann dich dabei auch jemand unterstützen. Sage deinen inneren Zweiflern, dass du sie gerade nicht brauchst und nimm bewusst wahr, wie sich dieser Schritt aus deiner Komfortzone  heraus anfühlt.
  3. Lenke deine Aufmerksamkeit darauf, was sich verändert. Wie reagiert dein Umfeld? Wie geht es dir? Bist du mit diesem Schritt deinem Ziel etwas näher gekommen? Wenn nicht, dann verändere wieder etwas (Schritt 1).

Du bist der Chef deines Lebens.
Nimm es in die Hand und warte nicht darauf, dass es andere für dich tun.

Ich wünsche dir viel Freude und Erfolg auf deinem Weg zu einem selbstbestimmteren Leben und Arbeiten. Ich freue mich über deine Kommentare und Erfahrungen hier im Blog von Benedikt. Wenn du Lust auf weitere Impulse hast, zu mehr Glück und Zufriedenheit im Leben und Beruf zu finden, dann schau auf meinem Coaching-Blog „Perspektivwechsel“ vorbei.

Bernd Slaghuis selbstbestimmt arbeitenÜber den Autor:
Dr. Bernd Slaghuis appelliert an die Selbstverantwortung jedes Einzelnen für sein Leben. Der Ökonom und Systemische Coach hat sich auf Fragen der Neuorientierung im Beruf spezialisiert, betreibt eine Coaching-Praxis in Köln und ist als Strategieberater für Unternehmen sowie als Vortragsredner tätig. Er ist Vorstand des Coaching-Verbands IASC e.V.

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8 Kommentare, sei der nächste!

  1. Hallo Bernd,
    Hallo Benedikt,

    danke für diesen Artikel. Ich bekomme regelmäßig die Frage gestellt, wie man es endlich schaffen kann, seine Berufung und Leidenschaft zu leben.

    Fragt man dann einmal genauer nach, stellt man fest, dass eigentlich das Folgende gemeinst ist:
    Wie kann ich meinen Job zurücklassen, um mein Geld mit meiner Berufung verdienen.

    Doch Berufung, Freiheit usw. ist nicht immer gleich mit Selbstständigkeit verbunden. Die Möglichkeit den Job als „Freiheitsindikator“ zu nutzen, wird dabei oft übersehen.

    In Zukunft werde ich diesen Artikel gerne empfehlen. DANKE dafür.

    Liebe Grüße
    Robert

  2. Hallo Robert,

    danke für Dein Feedback. Ja, es ist nur eine Frage der eigenen Einstellung, wieviel Freiheit ich auch als Angestellter einfordere und lebe. Vielleicht muss ich auch gar nicht meinen (alten) Job zurücklassen, oft lässt sich durch die Veränderung einiger weniger Stellschrauben auch schon aus dem Job zunehmend eine Berufung machen.

    Viele Grüße aus Köln
    Bernd

  3. Freiheit als Selbständiger? Naja, da wird gerne übersehen, dass man sich auch nicht dauernd in die Sonne legen kann und einem die gebratenen Hühnchen in den Mund flattern – irgendwo muss die Kohle für’s gut-Leben herkommen.

    Druck hat man in jedem Job. Es kommt immer darauf an ob man es sportlich nimmt oder sich stressen läßt. Ob man die Gelegenheit etwas besser zu machen – egal ob als Arbeitnehmer oder Alleinunterhalter – am Schopfe greift oder schicksalsergeben jedem der es hören will (oder auch nicht) etwas vorjammert.

    Ich bin Arbeitnehmerin und zufrieden damit. Was ich arbeite ist sinnvoll, auch wenn ich mich intern manchmal mit Sachen herumschlagen muss von denen man das nicht behaupten kann. Ich gehe gerne zur Arbeit und kann vielleicht gerade deshalb problemlos abschalten wenn ich die Firma abends verlasse. Meine Bekannten halten mich teilweise schon für gaga weil ich auch nach dem Urlaub verkünde, dass ich mich wieder freue auf Arbeit loszulegen. Die Einstellung machts, absolut.

    Wenn mir was nicht passt auf Arbeit, überlege ich was an Optionen zur Verfügung steht. Love it, change it or leave it. Ich füge da noch Option vier an: make peace with it. Manches könnte man nur hinter sich lassen, wenn man alles andere was in die Kategorie „love it“ fällt dann auch aufgeben würde. Also muss man Frieden mit manchem Ärgernis schließen. Wenn man das überlegt und strukturiert tut, dann kommt das auch nicht wie ein Bummerang irgendwann zurück.

    1. Hallo Evelyn,

      Glückwunsch zu Deiner Einstellung, genau das meine ich im Beitrag. Wir haben es selbst in der Hand und ich stimme Dir zu, dass die Selbständigkeit von vielen Menschen vordergründig als die ideale Lösung gesehen wird, aber auch kein Zuckerschlecken ist.

      Danke für Deinen Kommentar und viele Grüße,
      Bernd Slaghuis

  4. Hallo Bernd, hallo Ben,

    ich glaube bei vielen Angestellten ist auch die Angst da, da sie als
    Angestellter nicth immer in ihre eigene Marke einzahlen.
    Natürlich kann ich alles was ich gelernt habe in eine Bewerbung packen,
    wenn man aber mit z.B. >50 merkt dass man nicht mehr „genommen“ wird
    weil man zu alt ist, zu lange in einem Unternehmen war (alles keine echten Kriterien“),
    dann spürt man die Abhängigkeit.
    Als Selbständiger kannst Du aus meiner Sicht authentischer sein wenn Du Dich in einem Umfeld bewegt wo nicht die Hochglanzfassade aufrecht erhalten werden muss.

    Grüße Zoltan

    1. Hallo Zoltan, das kann ich gut nachvollziehen! Authentizität finde ich auch sehr wichtig. Ich weiß aber aus der Praxis, dass es auch viele Blender gibt, die dennoch eine gewisse Reichweite erreichen. Der richtige Druchbruch kommt dann aber nicht…

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